lui/  NEUES MUSEUM NÜRNBERG bis 11.02.2024
IN GLAS SEIN, KOERPERLOS, AUGEN ANSTARREN, SICH FEHLEN, INEINANDER LAUERN, BEIN IN STÜCKE TASTEND, IHN BLIND FETTEN, TRUNKEN VOR TIEFE/  Folienplots auf Wand 
lui/ Neues Museum Nürnberg, Staatliches Museum für Kunst und Design/ 28. September 2023 bis 11. Februar 2024 


DR. THOMAS HEYDEN/ KURATOR NEUES MUSEUM NÜRNBERG 
Dagmar Buhr. lui.
Kein Satz, nirgends. Stattdessen Bruchstücke. Selbst die Wörter sind teilweise fragmentiert: Sie brechen unvermittelt ab oder sind angeschnitten. Doch gerade durch diese Dekonstruktion gibt Dagmar Buhr der Sprache eine Macht zurück, die sie in alltäglicher Kommunikation verliert: Bilder heraufzubeschwören, Ordnungen zu verwirren und ihre eigene Wirklichkeit absolut zu setzen. Es ist das Vorrecht der lyrischen Sprache, das Dagmar Buhr für sich beansprucht. Verbunden jedoch mit dem Anspruch der bildenden Künstlerin, die Texte nicht nur zu lesen, sondern gleichzeitig zu sehen gibt. Die schiere Größe, das „Hard Edge“ der Versalien in Groteskschrift, das enge Beieinanderstehen der Buchstaben werden zu Kategorien des Ausdrucks.
Für ihre bislang größte Arbeit überhaupt besetzt Dagmar Buhr die sechs Fassadenräume des Neuen Museums mit Text. Die Künstlerin beschäftigt sich darin mit begehrenden Blicken in sehr verschiedenen kulturellen Kontexten, den darin zum Ausdruck kommenden Subjekt-Objekt-Beziehungen und Machtverhältnissen, Sublimierung und Ausdrücklichkeit. Neben dem Museum dient ihr auch ein Sexshop in der Luitpoldstraße als Bühne für den Auftritt ihrer Kunst. Trotz doppelter Codierung meidet Dagmar Buhr jede Form von Schlüpfrigkeit. Niemand soll sich mit einem im Kunststatus verbürgten Sicherheitsabstand frivol fühlen dürfen. Den Titel ihrer Arbeit entlieh die Künstlerin dem gleichnamigen französischen Herrenmagazin, das 1963 zum ersten Mal erschien. Nachdem es zu einem Pornoheft verkommen war, scheiterte auch der letzte Versuch, es durch anspruchsvollere Beiträge zu retten. Was könnte die Krise und den Untergang des Patriarchats besser beleuchten als Dagmar Buhrs Hinweis, dass das indirekte Objektpronomen „lui“ im Französischen auch weiblich zu verstehen ist.
// No sentence, nowhere. Instead, fragments. Even the words are partially fragmented: they break off abruptly or are cut off. But it is precisely through this deconstruction that Dagmar Buhr returns a power to language that it loses in everyday communication: To conjure up images, to confuse orders, and to set its own reality absolute. It is the primacy of lyrical language that Dagmar Buhr claims for herself. Connected, however, with the claim of the visual artist, who not only gives texts to be read, but at the same time to be seen. The sheer size, the "hard edge" of the capitals in grotesque font, the close positioning of the letters become categories of expression.
For her largest work to date, Dagmar Buhr occupies the six façade rooms of the Neues Museum with text. In her work, she deals with gazes of desire in very different cultural contexts, the subject-object relationships and power relations expressed in them, sublimation and expressiveness. In addition to the museum, a sex store on Luitpoldstraße also serves as a stage for the performance of her art. Despite double coding, Dagmar Buhr avoids any form of salaciousness. No one should be allowed to feel frivolous with a safe distance guaranteed by the status of art. The artist borrowed the title of her work from the French men's magazine of the same name, which first appeared in 1963. After it had degenerated into a porn magazine, the last attempt to save it through more sophisticated articles also failed. What could better illuminate the crisis and downfall of patriarchy than Dagmar Buhr's reference to the fact that the indirect object pronoun "lui" in French can also be understood as feminine.
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